Der Seelenfütterer - Klaus Bendel

Glauben (er)leben

30 Jahre nach Weihnachten

Unsere Geschichte beginnt um das Jahr 30 nach Christi Geburt:

 

„Er ist auferstanden!“

„Wer?“

„Na Jesus! Jesus von Nazareth!“

Amos erhob sich und schaute seinem Sohn genau in die Augen: „Abihu, du meinst wirklich den Rabbi, der damals in unserem Stall geboren worden war?“

„Natürlich, wen sonst?“

Amos ließ sich zurückfallen auf seinen Stuhl. Schon die Geburt des kleinen Jesus, war von allerlei Wunderlichem begleitet…

 

Wir verlassen nun den alten Vater Amos und seinen 38-jährigen Sohn Abihu und gehen rund 30 Jahre zurück, zurück nach Bethlehem in ein Gasthaus mit einem Stall, der weltberühmt werden sollte ….

 

In der hinteren rechten Ecke des kleinen Gasthauses konnte man im Halbdunkel eine Gestalt, über den Tisch gebeugt erkennen.

Es war der kleine 8-jährige Abihu, der am Tisch  eingeschlafen war. Er hatte auch an diesem Tag hart arbeiten müssen.

Nachdem er das Nachtmahl eingenommen hatte, übermannte Ihn der Schlaf.

Er erwachte, als sein Vater an ihm vorüberging.

"Schon wieder keine zahlenden Kunden.." brummelte sein Vater vor sich hin " - wie soll das bloß weiter gehen? Den Kaiser interessiert es nicht, wo ich das Geld für die Steuern hernehmen soll".

"Hast du die Leute etwa weggeschickt?" meldete sich plötzlich Abihus Mutter Binah, die gerade mit dem Bedienen eines der wenigen Gäste beschäftigt war.

"Natürlich nicht, die Frau ist schließlich schwanger! Aber ich muss das Haus für unsere zahlenden Kunden frei halten, deshalb habe ich sie in den Stall geschickt, da ist es ja auch warm in der Nacht".

Abihu war wieder am Tisch eingenickt. Diese Geschichte war Ihm wohl bekannt. Täglich kamen Menschen vorbei, die nicht genug zahlen konnten, um in der Herberge seines Vaters wohnen zu können. Aber gleich neben der Herberge stand ja der große Schuppen, in dem, neben allerlei Werkzeug und den Tieren seiner Eltern, auch die ärmeren Wanderer Unterschlupf fanden.

Seit der römische Kaiser die Volkszählung angeordnet hatte, waren jede Menge Leute unterwegs, die in ihre Heimatorte zogen, um (wie es offiziell hieß) „sich schätzen zu lassen“.

 

Mitten in der Nacht fuhr Abihu hoch. Es war plötzlich laut geworden vor der Herberge. Etwas verwundert schaute er sich um, er lag in seinem Bett. Sein Vater hatte ihn wohl ins Bett getragen; wie so oft in letzter Zeit. Im gleichen Raum schliefen auch seine Eltern und seine zwei Brüder. Sie hatten jedoch nichts bemerkt von dem Aufruhr vor dem Haus. Abihu schlich sich aus dem Raum hinaus in den Hof und versteckte sich hinter einem Stapel leerer Kisten.

Im Hof standen Hirten aus dem westlichen Tal.

Die kamen sonst nur selten in die Stadt.

Sie wurden von den Bürgern der kleinen Stadt eher herablassend angesehen, weil sie kein "anständiges " Handwerk ausübten.

Die Hirten hingegen zogen von Weidegrund zu Weidegrund und liebten die Freiheit unter dem Sternenhimmel.

Doch wieso kamen Sie heute in die Stadt - mitten in der Nacht?

Plötzlich fiel ihm auf:  Es war ungewöhnlich hell in dieser Nacht.

Selbst in Vollmondnächten, war es nicht so hell.

Der Schuppen schien zu leuchten. Abihu blickte nach oben, um zu sehen wo das Leuchten herkam.

Die Nacht war sternenklar, keine Wolke am Himmel. Da sah er einen Stern, der leuchtet fast so hell wie die Sonne. Abihu war beeindruckt und auch ein wenig ängstlich.

„Bestimmt hat das Leuchten die Hirten hergelockt.“ flüsterte er vor sich hin.

Er hatte schon davon gehört, dass Gott Zeichen an den Himmel setzt - Zeichen wie diesen Stern. „Aber warum steht dieser Stern über dem unscheinbaren Schuppen seines Vaters und nicht über der Synagoge?  Oder wenigstens über dem Haus eines Rabbis oder eines vermögenden und einflussreichen Kaufmanns?“

Abihu spürte, diese Nacht war eine ganz besondere Nacht!

„Ob es etwas mit den Wanderern zu tun hat, die sein Vater hier untergebracht hatte?“

„Doch was war das?“ Eine Karawane kam die Straße herauf und steuerte direkt auf die Herberge zu.

„Was für eine Nacht!“ dachte Abihu bei sich. Doch zu seiner Verwunderung, zog die Karawane, die von drei herrlich gekleideten Männern angeführt wurde, an der Herberge vorbei, direkt auf den Schuppen zu.

„Ob das die drei weisen Männer aus dem fernen Persien waren, von denen ganz Jerusalem spricht?“

Abihus Onkel war am Tag zuvor in Jerusalem gewesen und hatte dort erfahren, dass drei Männer, Könige wie ihm erzählt worden war, bei König Herodes waren und ihn nach dem

*neugeborenen König der Juden* gefragt hatten.

Sie hatten Herodes von einem Stern erzählt, der sie zu diesem König führen würde.

 

„Der Stern!“ – plötzlich begriff Abihu:

„Heute Nacht wird etwas geschehen, das die Welt verändern wird.“

 

Nichts hielt ihm mehr in seinem Versteck. Er verließ die Deckung und schon stand er im Hof vor dem Stall, wo sich die Hirten versammelt hatten.

„Warum seid ihr hier?“ fragte er einen Hirtenjungen, der wohl nur wenig älter war als er selbst.

„Du wirst nicht für möglich halten, was wir heute Nacht erlebt haben. Plötzlich wurde es taghell. Ich bin davon aufgewacht. Auch meine Eltern und Geschwister waren hellwach. Und dann, kaum zu glauben, trat ein Engel zu uns und sprach:

Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkünde große Freude, die allem Volk widerfahren wird: denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.

 

Er sagte uns, dass wir das Kind in einer Krippe liegend finden werden. Die himmlischen Heerscharen, die den Engel begleitet hatten lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.

Jetzt sind wir hier, um den Heiland zu sehen.

Und sieh dort: Die drei Könige aus dem Morgenland bringen dem Kind in der Krippe Geschenke. Mein Vater sagt, sie kommen von sehr weit her und sind dem Stern bis hier her gefolgt.“

Abihu traute sich kaum zu atmen; zu sehr war er von alledem beeindruckt.

Engel, himmlische Heerscharen und Könige aus einem fernen Land waren gekommen und nur wegen des Kindes zweier verarmter Wanderer, die sich kein Zimmer in der Herberge leisten konnten.

Das sollte nun der Heiland sein? Dieses Kind in der Futterkrippe im Stall seiner Eltern?

Abihu setzte sich neben die Hirten ins Stroh, beobachtete das seltsame Schauspiel…

... und schlief ein.

 

Abihu blinzelte, in die aufgegangene Sonne, die ihn sanft aus einem traumlosen Schlaf erweckt hatte.

Er stand auf und rannte in den Stall.

Unsicher schaute er sich um, doch der Stall war leer.

Keine Hirten, keine Könige und auch keine Wanderer.

Das Paar mit dem Neugeborenen war ebenso verschwunden, wie all die anderen Leute, die letzte Nacht den Hof und den Stall bevölkert hatten.

Sollte er das Alles nur geträumt haben?

„Hier bist du!“ Abihus Mutter stand plötzlich in der Türe zum Stall.

„Ich habe dich schon überall gesucht – Hast du die Kamele noch gesehen? Heute Nacht waren 3 Gelehrte bei uns zu Gast, du weißt schon, die von denen dein Onkel aus Jerusalem erzählt hatte. Sie sind ganz früh aufgebrochen und wollten eigentlich zu König Herodes zurück, um ihm über das Kind zu berichten, das heute Nacht in unserem Stall geboren worden war. Sie sagten das Kind sei unser zukünftiger König! – Seltsam …“

„Und? Sind sie zum König gegangen?“

„Nein! Gott hat Ihnen im Traum befohlen nicht zu Herodes zu gehen. So sind sie auf einem anderen Weg zurück nach Hause gereist.“

„Wo sind die Wanderer, der Mann und die Frau mit dem Kind? Sind Sie in der Herberge? – Lass mich durch ich muss sie sehen!“

„Nein – die drei sind auch schon abgereist. Auch hier hat Gott eine Anweisung im Traum gegeben. Er sagte zu Joseph, so heißt der Vater, er solle seine Frau Maria und das Kind Jesus nehmen und nach Ägypten ziehen, um es vor Herodes zu schützen.“

„Warum will der König dem Kind etwas antun?“

„Er hat wohl Angst, dass Jesus ihm einmal den Thron wegnehmen wird“

„Werden wir die drei jemals wieder sehen?“

„Das weiß nur Gott alleine“ sagte Binah, nahm ihren Sohn in den Arm und ging mit ihm zurück in die Herberge.

 

Dreißig Jahre später, wieder zurück am Anfang unserer Geschichte, war die Meinung in der jüdischen Bevölkerung  gespalten.

Für die Einen stand fest: Dieses Kind, geboren im Stall zu Bethlehem ist Gottes Sohn.

Jesus, der Zimmermann aus Nazareth war zu einem bekannten Rabbi geworden. Seine Auslegungen der heiligen Schrift waren übervoll von Menschenliebe und Gottesliebe. Wunderheilungen an Leib und Seele hatten Ihn bekannt gemacht und seinen göttlichen Auftrag bestätigt.

Für die Anderen jedoch war er einfach nur ein Gotteslästerer, der den Tod verdient hatte.

Letztendlich wurde er zum Opfer.

Gefoltert, verprügelt und verhöhnt.

Ans Kreuz geschlagen, wie ein Mörder, starb der Heiland der Menschheit.

Doch die scheinbare Niederlage wandelte sich zum größten Triumph seit Menschengedenken.

 

Amos saß auf seinem Stuhl und wiederholte die Worte seines Sohnes: „Er ist auferstanden  „

„Ja! – und er war bei seinen Jüngern, die es auch kaum glauben konnten“ erwiderte Abihu „Dort hatte er Ihnen mitgeteilt, dass er wusste, dass er dieses Schicksal erleiden werden würde. All dies war nur aus einem Grund geschehen … “

„Aus welchem Grund?“ unterbrach ihn ungeduldig sein Vater.

„Jesus begründete es wie folgt:

So steht’s geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern“

„Dann hat Gott seinen Sohn für uns geopfert?

Ließ ihn durch die Hölle der Folterqualen und des Kreuzestodes gehen, um unsere Schuld zu tilgen? Um uns so seine grenzenlose Liebe zu beweisen!“ warf Amos ebenso begeistert wie ergriffen ein, „In tausend Jahren werden die Menschen noch Gott dankbar anbeten für das Opfer, das er mit dem Tod seines Sohnes gebracht hatte. Sie werden ihn in Gottesdiensten feiern und ehren!“

„Doch was, lieber Vater“ gab Abihu zu bedenken, „ wird später, in zwei- oder dreitausend Jahren sein?

Werden die Menschen dann immer noch Jesu Opfer für die Menschheit zu schätzen wissen?

Vielleicht werden einige sich nur noch an die besondere Nacht, die Heilige Nacht seiner Geburt erinnern und nur wenige Jesus in ihrem ganzen Leben willkommen heißen …?“